Insights

Mediaplanung in Krisenzeiten

New Business hat mit unserem Marketing Manager Johannes Niehuis über die aktuellen Bewegungen auf dem Social-Media-Markt und die daraus resultierenden Konsequenzen für Werbetreibende gesprochen.

8. Juni 2022

Insbesondere in turbulenten Wirtschaftslagen ist es wichtig, erprobte Ansätze hinsichtlich ihrer Effizienz und ihres Media Outcomes auf den Prüfstand zu stellen.New Business hat mit unserem Marketing Manager Johannes Niehuis über die aktuellen Bewegungen auf dem Social-Media-Markt und die daraus resultierenden Konsequenzen für Werbetreibende gesprochen.

nb: Welche grundsätzlichen Erkenntnisse liefert der Social Media Market Insights Report von esome?

JN: Die Daten des ersten Quartals machen deutlich, dass sich die angespannte Situation der Weltwirtschaft auch auf dem hiesigen Werbemarkt bemerkbar macht: Ende Februar sanken die Werbebudgets innerhalb einer Woche um 35 Prozent.

Trotz knapper Budgets und der damit verbundenen geringeren Nachfrage nach Werbeeinblendungen, blieb das Preisniveau der digitalen Inventare vergleichsweise hoch. Im Vergleich zum Vorquartal sank der durchschnittliche TKP in Q1/22 zwar saisonbedingt um 27 Prozent, war aber dennoch um sieben Prozent höher als in Q1/21 und um neun Prozent höher als in Q1/20. Der TKP ist ein eigens erhobener Index, der die Preisentwicklung des vergangenen Quartals anhand von Werbekampagnen, die durch esome umgesetzt wurden, veranschaulicht.

nb: Welche Handlungsempfehlungen an Werbetreibende lassen sich daraus ableiten?

JN: Insbesondere in turbulenten Wirtschaftslagen ist es wichtig, erprobte Ansätze hinsichtlich ihrer Effizienz und ihres Media Outcomes auf den Prüfstand zu stellen. Werbetreibende sollten daher noch genauer analysieren, welche Inventare geeignet sind, um die eigenen Werbeziele optimale zu erreichen. Dabei sollten jedoch nicht nur Preisunterschiede ausschlaggebend sein, weil jede Plattform individuelle Funktionen, Zielgruppen und weitere Vorteile bietet. Mitunter bieten deshalb innovative Strategien eine bessere Lösung.

Um den optimalen Media Outcome zu erzielen, müssen Werbetreibende ihr Werbeziel in den Mittelpunkt stellen und die Kampagnenplanung daran ausrichten. In einigen Fällen sind günstigere Platzierungen sinnvoll, um die Kosten zu senken oder bei gleichem Budget mehr Werbekontakte zu generieren. In anderen Fällen erhöht ein Aufpreis dagegen die Medienqualität und liefert auf diese Weise hochwertigere, das heißt stärker auf das Werbeziel einzahlende, Impressionen.

Jeder relevante User muss mit der optimalen Frequenz und dem geeigneten Format adressiert werden. Streuverluste müssen ebenso vermieden werden wie ineffiziente Mehrfachansprachen. Anstatt in Silos zu denken, sollten Werbetreibende die unterschiedlichen Kampagnenphasen, Plattformen und Kanäle miteinander verzahnen, um das Media Outcome und die Effizienz zu optimieren.

nb: Welche Trends im Social-Media-Marketing stellen Sie darüber hinaus fest?

JN: Insbesondere das Thema Digital Commerce begleitet uns seit einiger Zeit und war auch im ersten Quartal 2022 der vorherrschende Trend im digitalen Marketing. Bestrebungen in diesem Bereich zielen darauf ab, dass Käufe direkt innerhalb der jeweiligen Plattform getätigt werden können, ohne dass der Kaufabwicklung dabei Medienbrüche oder sonstige Hürden im Wege stehen. Im ersten Quartal 2022 haben die Plattformen umfangreiche neue Funktionen in diesem Bereich ausgerollt bzw. angekündigt. Dazu zählen zum Beispiel eine Checkout-Funktion auf Pinterest, Twitter Shops und neue Augmented Reality Funktionen zur virtuellen Anprobe auf Snapchat.

Darüber hinaus fällt auf, dass Inventaranbieter verstärkt mit Messdienstleistern wie IAS oder DoubleVerify kooperieren. Im Fokus stehen dabei Bemühungen, die Güte des eigenen Werbeumfelds quantifizierbar zu machen. Dadurch kann Marken ein maßgeschneidertes Umfeld geboten werden, in dem sich die Werbewirkung ideal entfalten kann. Die dadurch erhöhte Medienqualität ist ein zunehmend relevantes Differenzierungsmerkmal der einzelnen Inventaranbieter.

nb: Nehmen Sie bei Ihren Werbekunden eine Verunsicherung aufgrund des Einstiegs von Elon Musk bei Twitter wahr, was die künftige Präsenz auf dem Kanal betrifft? Wie bewerten Sie die Übernahme und mögliche Folgen, die sie mit sich ziehen könnte, wie beispielsweise eine Verschärfung des politischen Diskurses?

JN: Wir beobachten die Entwicklungen hinsichtlich Elon Musks Plänen zum Einstieg bei Twitter sehr genau. Eine diesbezügliche Verunsicherung bei unseren Kund:innen haben wir bisher nicht wahrgenommen. Ebenso gibt es derzeit keine Pläne, Twitter den Rücken zu kehren. Eine solche Reaktion wäre aus unserer Sicht auch verfrüht. Schließlich ist zurzeit noch unklar, ob die Übernahme tatsächlich zustande kommt. Bis zur finalen Entscheidung der Aktionärsversammlung wird es noch einige Monate dauern. Auch wenn einige Twitter User bereits angekündigt haben, die Plattform aus Protest zu verlassen, sind bisher keine Beeinträchtigungen der Werbeaktivitäten auf der Plattform abzusehen.

Die Verschärfung des politischen Diskurses sind ebenso wie Hassrede und Desinformationskampagnen gesellschaftliche Herausforderungen, die neben Twitter auch die anderen Plattformen betreffen und in die Verantwortung ziehen. Als offizieller Partner aller großen Plattformen wissen wir, dass sich diese an geltendes europäisches Recht halten. Im Zuge des Digital Service Acts gehen wir daher davon aus, dass Twitter, auch unter gegebenenfalls neuer Führung, weitere Maßnahmen zur Eindämmung von Hass und Hetze ergreifen wird.

Sollte sich im Diskurs auf Twitter dennoch ein Gesetz der Stärkeren und die Unterdrückung von Minderheiten durchsetzen, würde dies die Brand Safety der Plattform enorm beschädigen und Werbetreibende dazu bringen, sich nach Alternativen umzusehen.

nb: Ihr Report belegt eine stärkere Zurückhaltung bei den Werbeausgaben aufgrund der starken Inflation und des Kriegs in der Ukraine. Welche Branchen sind hier besonders betroffen?

JN: Aktuell besonders betroffen sind Branchen, die von den anhaltenden Störungen der Lieferketten und Engpässen bei der Versorgung mit Vorprodukten, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen stark beeinträchtigt werden. Insbesondere die Automobilindustrie ist mit massiven Herausforderungen hinsichtlich der Produktion und Lieferung konfrontiert und reduziert dementsprechend die Marketingbudgets. Dieses Vorgehen ist auf den ersten Blick nachvollziehbar, denn die Frage, warum man mithilfe von Werbung Nachfrage erzeugen sollte, wenn man diese dann nicht bedienen kann, ist berechtigt. Der Carryover-Effekt von Werbung sollte jedoch nicht vernachlässigt werden, denn Werbung wird häufig erst in nachgelagerten Perioden richtig wirksam. Statt Werbemaßnahmen also gänzlich herunterzufahren, sollten Werbetreibende weiterhin in Branding investiert werden, um Markenimage und -bekanntheit aufrechtzuerhalten. Ansonsten droht die Gefahr, bei Null anzufangen, sobald die Produktion wieder hochgefahren werden kann.

nb: Wie sieht Ihre Prognose für den Rest des Jahres aus? Wie werden sich die Ausgabebereitschaft für Social-Media-Werbung und die Plattform-Präferenzen in Deutschland entwickeln?

JN: Mittel- bis langfristig werden die aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen weitere Branchen treffen und die Ausgabebereitschaft für Werbung weiter senken.

Die anhaltend hohe Inflation geht mit einem erheblichen Verlust an Kaufkraft einher. Viele Branchen müssen sich daher auf Umsatzverluste einstellen. Die massiv gestiegenen Energiekosten erhöhen zudem die Transportausgaben, welche insbesondere im E-Commerce einen erheblichen Kostenfaktor darstellen. Unternehmen werden daher Einsparungen vornehmen, die auch die Marketingaktivitäten betreffen.

Allerdings erhöht die verringerte Kaufkraft auch den Wettbewerb. Wenn der Konsum insgesamt sinkt, wird es für Marken umso wichtiger, einen besonders großen Anteil davon zu gewinnen. Hier ist smarte Werbung ein wichtiges Instrument, das darüber entscheidet, welches Produkt letztendlich im Warenkorb landet.

In der angespannten Wirtschaftslage ist es daher ratsam, geeignete Marketing KPIs entlang der eigenen Geschäftsziele zu definieren und den ROI genau im Auge zu behalten. Aufgrund ihrer präzisen Messbarkeit und geringen Streuverluste ist digitale Werbung gerade jetzt ideal geeignet, um Marketingziele effizient zu erreichen. Wir gehen daher davon aus, dass das Online-Marketing weniger stark von den allgemein sinkenden Marketingbudgets betroffen sein wird als andere Gattungen.

nb: Was erwarten Sie bei der Preisentwicklung auf den einzelnen Social-Media-Plattformen?

JN: Betrachtet man die Preisentwicklung der vergangenen Monate, so ist davon auszugehen, dass das Preisniveau insgesamt hoch bleiben wird.

Gleichzeitig investieren die Plattformen jedoch nicht nur in neue Funktionen für Werbetreibende, sondern arbeiten ebenso daran, ihr Angebot für User noch attraktiver zu gestalten. Auf diese Weise steigt die Aktivität auf den einzelnen Plattformen. Zugunsten der Monetarisierung erschließen die Plattformen zudem kontinuierlich neue Orte für Werbeplatzierungen. Insgesamt erhöht sich dadurch das Angebot buchbarer Werbeeinblendungen, was sich bei gegebener Nachfrage wiederum günstig auf die Preise auswirken kann.

Derzeit können wir jedoch noch keine verbindliche Prognose bezüglich der weiteren Preisentwicklung abgeben.